Deutsch
Konferenz Biologischer Fachbereiche

SCIENCE HERO

Entomologischer Verein Krefeld bekommt den Science Hero Preis 2019 für Insektenforschung

Die Konferenz Biologischer Fachbereiche (KBF) zeichnet den Entomologischen Verein Krefeld, der sich seit 1905 mit der wissenschafltich orientierten Insektenkunde beschäftigt, mit dem Science Hero Preis aus. Die Krefelder Entomologen erheben seit über 30 Jahren systematisch den Bestand von Flugininsekten in zahlreichen Schutzgebieten über die gesamte Vegetationsperiode. Die KBF würdigt die Standhaftigkeit, mit der der Verein unabhängig von wissenschaftlichen Trends konstant entomologische Untersuchungen durchgeführt und so ein immens wichtiges Problem aufgezeigt hat. Der Preis wird am 14. Juni 2019 im Rahmen des Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultätentags verliehen.

Mehr und bessere Forschungsaktivitäten zu Insekten sind nötig

Massive Bestandsrückgänge von Insekten können gravierende Biodiversitätsschäden in der Natur verursachen und sind aufgrund von Kenntnisdefiziten ein unkalkulierbares, existenzielles Risiko. Die Konferenz Biologischer Fachbereiche (KBF) hat deshalb jetzt entschieden, dass der Entomologische Verein Krefeld mit dem Science Hero Preis 2019 geehrt werden soll. Seit 1905 beschäftigt sich der Verein mit der wissenschaftlich orientierten Insektenkunde (Entomologie), wozu vor allem projektbezogene, finanzierte ebenso wie ehrenamtliche Forschungstätigkeiten sowie die konsequente Archivierung aller Originalbelege in den Entomologischen Sammlungen in Krefeld zählen. Ein akuter Weckruf, dass künftig mehr und bessere Forschungsaktivitäten zu Insekten erforderlich sind, kam vom Entomologischen Verein Krefeld.
Die Krefelder Entomologen haben bereits vor dreißig Jahren die Methodik der Datenerhebung von Fluginsekten mittels Malaisefallen standardisiert und Untersuchungen mit konsequent identischem „sampling design“ in zahlreichen Schutzgebieten über ganze Vegetationsperioden durchgeführt. Daraus resultierten unschätzbare Daten und Originalproben sowie eine vielbeachtete Publikation im Jahr 2017 in der internationalen Online-Fachzeitschrift „PLOS ONE“ und ein Kommentar in der Fachzeitschrift „Science“.
Diese jüngste Publikation zu den Daten der Krefelder Entomologen mit einem über 27 Jahre ermittelten Rückgang der Gesamtmenge an Insekten um ca. 76 Prozent in Schutzgebieten erreichte weltweites Aufsehen. Sie wurde von der Gelehrtengesellschaft „Royal Society of Biology“ als einer der „Big Biology Breakthroughs“ des Jahres 2017 bewertet. Aktuell wurden diese Untersuchungsergebnisse zu Insektenrückgängen unter Umweltrisiken in den diesjährigen „Global Risks Report“ aufgenommen.

Ökosysteme sind in Gefahr durch Biodiversitätsschäden

Insekten sind unverzichtbare Bestandteile terrestrischer Lebensräume. Sie sind die wichtigsten Akteure in der Bestäubung von Blütenpflanzen, regulieren Energie- und Nährstoffflüsse und sind Nahrungsquellen für viele andere Arten. „Wir sind bis heute keineswegs in der Lage, die zahlreichen von ihnen ausgeübten Funktionen im Naturhaushalt auch nur annähernd ausreichend zu verstehen“, so Dr. Martin Sorg, Mitglied des Entomologischen Vereins Krefeld. Verluste regional angepasster Populationen und vollständiges Aussterben von Arten in ganzen Naturräumen können irreversible Folgen haben. „Wir haben durch viele unserer Daten den Eindruck, das wir „baselines“ verloren haben und weiter verlieren, und in Unkenntnis über die schleichenden Verluste die jeweils historischen „Zustände“ in ihrer Artendiversität und dem „natürlicheren“ Volumen an Interaktionen gar nicht mehr ausreichend begreifen können“, bedauert Dr. Sorg. Durch ihre Forschungstätigkeit haben die Mitglieder des Entomologischen Vereins Krefeld aufgezeigt, dass durch Insektenrückgänge Ökosystemschäden zu befürchten sind, deren Ausmaß und deren Folgen aufgrund von Kenntnislücken nicht prognostizierbar sind. Hieraus resultiert erheblicher Forschungsbedarf und aktuell ist erkennbar, dass sich die „Forschungslandschaft“ in der Entomologie verändert – und weiter verändern muss. „Bisher betreibt man Biodiversitätsforschung zu Insekten vorzugsweise zu den artenärmsten Insektengruppen. Dies ist als extrem verengter Blickwinkel nicht ausreichend zielführend für ein Verständnis von Biodiversität. Man könnte auch sagen: Tausende von UFO-Fluginsektenarten durchstreifen das Land, üben vermutlich wichtigste Funktionen in der Natur aus - und sind weder in ihrer Bestandsgefährdung bewertet - noch ist ihre Biologie ausreichend bekannt. Notwendig ist daher Grundlagenforschung und ein Langzeitmonitoring auch mit Schwerpunkten zu den artenreichsten Insektengruppen, zu denen der Kenntnisstand
in eklatantem Maße defizitär ist,“ so Dr. Andreas Müller, Vorsitzender des Entomologischen Vereins Krefeld.

Preisverleihung

Die Konferenz Biologischer Fachbereiche fand heuer den Beitrag des Entomologischen Vereins Krefeld so wichtig, dass der Verein im nächsten Jahr mit dem Science Hero Preis ausgezeichnet werden soll. Dr. Müller, Vorsitzender des Entomologischen Vereins Krefeld, freut sich sehr über die Würdigung: „Wir bedanken uns herzlich für die Auszeichnung und nehmen diese auch als Anregung für künftige Forschungstätigkeiten abseits der normalen Wissenschaftsförderung gerne an.“ Der Preisträger erhält eine Bronze-Figur, die eine Eule als Symbol der Weisheit zeigt, die jedoch auf einem Paragraphen-Dschungel thront. Die Figur symbolisiert die Fesselung der für Deutschland so wichtigen Grundlagenforschung durch Bürokratie. Die Vergabe des Science Hero Preises erfolgt an Personen oder Organisationen in der biowissenschaftlichen Forschung und Lehre, die bürokratische Ausuferungen oder politische Absurditäten mit Humor bekämpfen, standhaft ertragen oder effizient vermieden haben. In diesem Fall honoriert die Konferenz Biologischer Fachbereiche die Standhaftigkeit, mit der der Verein unabhängig von wissenschaftlichen Trends konstant entomologische Untersuchungen durchgeführt und so ein immens wichtiges Problem aufgezeigt hat. Die Preisverleihung findet am 14. Juni 2019 in Frankfurt am Main anlässlich der Eröffnung des Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultätentages statt.

Die Konferenz Biologischer Fachbereiche existiert in ihrer jetzigen Form seit 1990. Sie vertritt die Biologischen Fakultäten und biologisch arbeitenden Institute und Fachbereiche der deutschen Universitäten. Ihre Aufgabe ist die Beratung von gemeinsamen Angelegenheiten der Forschung und Lehre, die den biologischen Fachbereichen obliegen, sowie die Vertretung der daraus resultierenden Belange. Die Fachbereiche werden durch eine Senatorin oder einen Senator bei der Konferenz Biologischer Fachbereiche vertreten. Sprecher der Konferenz Biologischer Fachbereiche ist PD Dr. Alois Palmetshofer von der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Sein Stellvertreter ist Professor Dr. Dietrich H. Nies von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.

Mit dem Science Hero Preis werden seit dem Jahr 2015 Personen oder Organisationen in der biowissenschaftlichen Forschung und Lehre geehrt, die Probleme im Bereich der Biowissenschaften durch gute Lehre und kreative Forschung aufgezeigt oder gelöst haben. Die Auszeichnung wird vergeben von der Konferenz Biologischer Fachbereiche.

Kristina Vonend

Der Science Hero Preis

Die Vergabe des Science Hero Preises erfolgt an Personen oder Organisationen in der biowissenschaftlichen Forschung und Lehre, die bürokratische Ausuferungen oder politische Absurditäten mit Humor bekämpft, standhaft ertragen, oder effizient vermieden haben. Idealerweise haben die Preisträger dabei mehr Zeit und Ressourcen für gute Lehre und kreative Forschung verfügbar gemacht.

 VISIONEN

Die Konferenz Biologischer Fachbereiche verbindet mit der Verleihung des Science Hero Preises mit der Formulierung einiger Visionen, wie die Hochschule der Zukunft aussehen könnte.

Vision 1: Jeder Hochschulangehörige kann sich den eigenen Neigungen und Fähigkeiten in Wissenschaft und  Lehre widmen. Verwaltung und Qualitätsmanagement werden als Serviceleistung für die Fakultäten verstanden. Die Lehre ist ausreichend finanziert und nicht auf Quersubventionierung oder Selbstausbeutung der Professoren angewiesen.

Vision 2: Die Grundlagenforschung genießt in der Öffentlichkeit eine hohe Wertschätzung. Antragstellung und Abwicklung von Projekten für Forschung und Lehre werden professionalisiert unterstützt. Die Projektvergabe erfolgt transparent und zeitnah.

Vision 3: Drittmittel werden nach Maßgabe der Antragsteller eingesetzt, auch hinsichtlich der Stellenvergabe. Projektträger und Hochschulleitungen haben sich von ihrem Rollenbild als Kontrollinstanzen verabschiedet und sehen ihre Kernfunktion als Unterstützer der Wissenschaft und Lehre.  

Vision 4: Die Serie halbherziger Bildungsreformen, widersinniger Befristungsregeln und chronischer Unterfinanzierung ist überwunden. Es gibt ein verlässliches und stabiles Hochschulrahmengesetz. Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz ist grundlegend reformiert und in einen Wissenschaftstarifrahmen eingebunden. Besoldungsregeln bei den Professuren sind transparent und orientieren sich nach einem vergleichbaren Schema. Karrierepläne für den wissenschaftlichen Nachwuchs sind Bestandteil eines verbindlichen und ausfinanzierten Personal-Entwicklungskonzepts.

Vision 5: Der Studiengang-Wildwuchs ist durch systematische Kategorisierung der angebotenen Curricula nach Fach-Inhalten und Harmonisierung der grundständigen Studiengänge eingedämmt.  Studierende haben viele Wahlmöglichkeiten, wissen und verstehen, was sie im Studium erwartet und können leicht zwischen Studienorten wechseln. Das Studium bringt Fachkompetenz, fördert die Persönlichkeitsentwicklung und bewirkt hohe berufliche Erfolgschancen.

Vision 6: Der Regularien-Dschungel für das Arbeiten mit Biologischen Stoffen ist durch ein vereinheitlichtes zentrales Gesetzbuch gelichtet. Biologische Materialien werden nach ihrem Gefährdungspotential beurteilt - unabhängig von der Art ihrer Erzeugung. Der  verantwortungsvolle Umgang mit biologischen Einheiten ist auch für neue Wege der Erzeugung und Anwendung  geregelt und sichergestellt.