Lichtverschmutzung verwirrt Nachtfalter
20.06.2017Der Flug nachtaktiver Falter wird von den Mondphasen beeinflusst. Bei Vollmond scheinen Nachtfalter weniger anfällig für künstliche Lichtquellen zu sein als bei Neumond. Ob das so ist, untersucht die Biologin Jacqueline Degen im Rahmen eines neuen Forschungsvorhabens am Biozentrum Würzburg.
Manche nachtaktive Insekten nutzen den Mond oder die Sterne als Kompass. Sie richten ihre Flugbahn nach den Lichtern am Himmel aus. Was aber, wenn die Orientierung gestört wird? Künstliche Nachtbeleuchtung in Städten scheint Nachtfalter regelrecht aus der Bahn zu werfen.
Das Ergebnis: Wie wild flattern sie um Straßenlaternen oder Leuchtreklame. Wenn sie sich nicht losreißen können, bedeutet das einen großen Zeitverlust oder sogar den sicheren Tod für die Insekten: Sie sterben an Erschöpfung, verbrennen an den heißen Lichtquellen oder werden von anderen Tieren gefressen, die in der Nähe der Beleuchtung nur auf ihre Beute zu warten brauchen. Warum das künstliche Licht eine so starke Anziehungskraft auf die Tiere ausübt, ist weitestgehend noch unerforscht.
Grundlagenforschung nötig
Licht ins Dunkel bringen will Jacqueline Degen mit ihrem Forschungsvorhaben am Lehrstuhl für Zoologie II des Biozentrums der Uni Würzburg. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft finanziert das Projekt „Nachtfalter und nächtliche Beleuchtung: Auswirkungen, Folgen und Anpassung“ mit über 300.000 Euro.
In ihrer Vorgehensweise orientiert sich die Biologin an einem Verfahren, welches sie im Rahmen ihrer Doktorarbeit bereits an Honigbienen angewendet hat, um deren Orientierungsverhalten zu untersuchen: Auf dem Rücken eines Nachtfalters wird sie ein Nummernplättchen aufkleben. „Mit doppelseitigem Klebeband werde ich darauf eine Antenne befestigen. Das Tier kann mit der Präparation ungehindert abheben und fliegen“, sagt die Biologin. Ein hochsensibles Radargerät könne das Signal des Falters dann orten.
Um mehr über das Flugverhalten von nachtaktiven Faltern herauszufinden, will Degen unter anderem wissen, welche Auswirkungen das Licht auf das Verhalten der Tiere hat und ob bereits eine Anpassung an künstliche Lichtquellen stattgefunden hat.
Lichtquellen und Mondphasen
Lichtverschmutzung werde dabei ein wesentliches Thema sein, wie die Forscherin erklärt. Darunter verstehe man die Aufhellung des Nachthimmels durch unnatürliche Beleuchtung. Da das natürliche Lichtmuster von Mond und Sternen durch die künstliche Beleuchtung verändert wird, kann die Orientierung eines Nachtfalters, der beispielsweise auf der Suche nach einem Partner ist, gestört werden.
Die Anziehungskraft von künstlichen Lichtquellen scheint von den Mondphasen beeinflusst zu werden. In Versuchen haben Forscher bei Vollmond weniger Tiere in Lichtfallen gefangen als bei Neumond.
Warum das so ist, kann man nur vermuten: Wenn der Mond hell leuchtet, wie es bei Vollmond der Fall ist, könnten die Falter weniger aktiv sein. „Es ist aber auch möglich, dass sie bei Vollmond weniger auf andere Lichtquellen reagieren, weil der Mond selbst schon sehr hell ist.“ Mit Hilfe des hochsensiblen Radars will Degen Beweise für diese und weitere Vermutungen finden.
Bereits bekanntes Verfahren
Die Idee zum Forschungsvorhaben kam Jacqueline Degen nach Abschluss ihrer Arbeit mit den Honigbienen und im Gespräch mit ihrem Ehemann, der auch Biologe ist. „Er untersucht als Theoretiker den Verlust der Nacht. Die Auswirkungen der Lichtverschmutzung auf die Umwelt“, erklärt Degen.
Dabei haben sich ihr etliche Fragen gestellt: Was machen nachtaktive Insekten eigentlich genau, wenn sie um künstliche Lichtquellen flattern? Und haben sie sich im Laufe der Jahrzehnte, in der sich die künstliche Beleuchtung in Städten und Dörfern ausgebreitet hat, evolutionär an die veränderten Gegebenheiten angepasst?
Warum und ab welcher Entfernung Nachtfalter von künstlichen Lichtquellen angezogen werden, konnte bislang nicht eindeutig geklärt werden. „Es gibt verschiedene Theorien zum Flug der Falter, die aber auf Beobachtungen im Nahfeld der Lichtquelle beruhen.“ Interessant sei jedoch das Flugverhalten über die Distanz.
Um den Flug eines Individuums über eine Entfernung von bis zu einem Kilometer verfolgen zu können, wird sie also auf das Radar zurückgreifen. „Wichtig ist, dass es sich um relativ große Tiere handelt, damit diese mit der Antenne auf dem Rücken abheben und fliegen können“, so Degen.
Aufbau der Forschung
Angelegt ist das Forschungsvorhaben von Jacqueline Degen auf 36 Monate. Im ersten Jahr wird sie die Grundlagen des Flugverhaltens der Nachtfalter untersuchen. Nebenbei trifft sie Vorbereitungen, um mehr über eine mögliche Anpassung der Tiere zu erfahren: „Ich werde Raupen sammeln. Um vergleichen zu können, werden es Tiere aus einem städtischen Gebiet und aus einem ländlichen Gebiet sein“, erklärt Degen. Die Nachtfalter der urbanen Raupen müssten später anders mit künstlichen Lichtquellen umgehen – so die Theorie der Biologin.
Im zweiten Jahr ihrer Forschung lässt sie die gezüchteten Falter fliegen und untersucht, ob es eventuell Unterschiede im Verhalten gibt. „Es gibt eine Arbeit zu diesem Thema. Es handelte sich um Versuche im Flugkäfig“, sagt sie. Dabei habe sich gezeigt, dass Individuen städtischer Populationen an das künstliche Licht gewöhnt sein müssen. „Sie sind weniger zum Licht geflogen, als die ländlichen“.
Am Ende sollen grundlegende Fragen über das rätselhafte Verhalten der Nachtfalter geklärt sein. „Ich hoffe außerdem auf Erkenntnisse über die Konsequenzen der Lichtverschmutzung“, so Degen.
Kontakt
Dr. Jacqueline Degen, T: (0931) 31-89017, jacqueline.degen@uni-wuerzburg.de