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Fakultät für Biologie

Große Fortschritte dank Mini-Organen

13.05.2022

Mit lebensechten Organnachbildungen – sogenannten 3D-Organoiden – lassen sich Krankheitsprozesse gut erforschen. Ein Team der Universität Würzburg hat jetzt eine Art Bauplan für solch ein Modell des Gebärmutterhalses vorgestellt.

Das Bild zeigt von Patientinnen gewonnene endozervikale säulenförmige (rot) und ektozervikale geschichtete Plattenepithelorganoide (grün) des weiblichen Fortpflanzungstrakts. Das Diagramm verdeutlicht deren Rolle für genetische Manipulationen und bei Infektionen.
Das Bild zeigt von Patientinnen gewonnene endozervikale säulenförmige (rot) und ektozervikale geschichtete Plattenepithelorganoide (grün) des weiblichen Fortpflanzungstrakts. Das Diagramm verdeutlicht deren Rolle für genetische Manipulationen und bei Infektionen. (Bild: AG Chumduri)

Ein paar Stammzellen, diverse Wachstumsfaktoren, vier bis sechs Wochen Zeit – und natürlich jede Menge Expertise braucht es, um im Labor eine zwar verkleinerte, aber doch lebensechte und funktionsfähige Nachbildung eines Gebärmutterhalses zu erzeugen.

Wie der Prozess im Detail abläuft, zeigt eine neue Publikation, die jetzt in der Fachzeitschrift Nature Protocols erschienen ist. Verantwortlich dafür ist Dr. Cindrilla Chumduri, Arbeitsgruppenleiterin am Lehrstuhl für Mikrobiologie der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU). Die Infektions- und Krebsbiologin forscht schon seit Langem an den physiologischen Prozessen im Gebärmutterhalsgewebe. Sie interessiert sich vor allem dafür, unter welchen Bedingungen sich dort Krebs entwickelt.

„Bislang hat der Wissenschaft ein System gefehlt, das die zellulären, physiologischen und funktionellen Eigenschaften der verschiedenen Zelltypen im Gebärmutterhals gut widerspiegelt“, sagt Chumduri. Dies habe die Untersuchung der normalen Physiologie, der Krankheitsentwicklung und von Infektionsprozessen erschwert.

Mit den von ihr entwickelten, dreidimensionalen Organoiden eröffnen sich ihren Worten nach jetzt „neue Möglichkeiten zur Erforschung der Biologie des Gebärmutterhalses, von Infektionen und von der Entstehung von Krebs“. Neue Anwendungen in der personalisierten Medizin, die Suche nach neuen Wirkstoffen, Eingriffe am Genom, die Modellierung von Krankheiten: All dies könnten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit Hilfe der Organoide jetzt sehr viel leichter als bisher in die Tat umsetzen.

Der Gebärmutterhals hat viele Funktionen

Der Gebärmutterhals ist ein kompliziertes Gebilde. Zu seinen wichtigsten Aufgaben gehört es, einerseits die Passage von Spermien in die Gebärmutterhöhle zu ermöglichen, damit die Befruchtung der Eizelle stattfinden kann. Andererseits muss er den weiblichen Fortbildungstrakt vor gefährlichen Eindringlingen wie Pilze, Viren und Bakterien und vor aufsteigenden Infektionen schützen. Darüber hinaus muss er am Ende einer Schwangerschaft dazu in der Lage sein, sich deutlich zu erweitern, damit der Fötus ihn passieren kann.

Anatomisch gesehen bildet der Gebärmutterhals das Bindeglied zwischen Gebärmutterhöhle und Vagina. Er besteht aus dem sogenannten Endozervix, der an die Gebärmutter angrenzt, und dem Ektozervix, der in die Vagina hineinragt. Diese werden von unterschiedlichen Zelltypen ausgekleidet: Während im Endozervix ein säulenförmiges Epithel vorliegt, findet sich im Ektozervix ein mehrschichtiges Plattenepithel. Wo die beiden Bereiche ineinander übergehen, bilden sie eine Übergangszone und sind besonders anfällig für Infektionen und Gewebeneubildungen. Beispielsweise haben die meisten Gebärmutterhalskrebserkrankungen dort ihren Ursprung.

Stammzellen als Ausgangsmaterial

Für die Entwicklung der 3D-Organoide des Gebärmutterhalses haben Cindrilla Chumduri und ihr Team adulte epitheliale Stammzellen als Ausgangsmaterial verwendet. Diese wurden in Biopsien sowohl dem Endo- als auch dem Ektozervix entnommen. Mit Hilfe einzigartiger Kombinationen von Wachstumsfaktoren sowie unterschiedlicher Kultivierungsverfahren haben sie daraus die natürliche dreidimensionale Gewebearchitektur und -zusammensetzung sowie die funktionellen Eigenschaften des ursprünglichen Gewebes rekapituliert und über einen langen Zeitraum erhalten können.

In weitergehenden Experimenten haben die Wissenschaftlerinnen die Stammzellen zusätzlich genetisch manipuliert. „Wir haben den Stammzellen Gene des Humanen Papillomvirus HPV implantiert, die dafür verantwortlich sind, dass sich Krebs entwickelt“, sagt Chumduri. Damit ließe sich möglicherweise ein Rätsel lösen, an dem sich die Wissenschaft schon lange die Zähne ausbeißt.

Verhängnisvolle Koinfektionen

Denn obwohl bekannt ist, dass HPV für den überwiegenden Teil der Krebserkrankungen am Gebärmutterhals die treibende Kraft ist, ist eine Infektion mit dem Virus nicht gleichbedeutend mit einer bösartigen Gewebeneubildung: Aktuelle Statistiken gehen davon aus, dass etwa 80 Prozent aller Frauen im Laufe ihres Lebens eine HPV-Infektion durchmachen. Dennoch entwickeln nur 1,6 Prozent von ihnen Gebärmutterhalskrebs.

Vermutet wird nun, dass es weitere Faktoren gibt, die das Risiko für Gebärmutterhalskrebs erhöhen, beispielsweise eine Koinfektionen mit anderen sexuell übertragbaren Krankheitserregern, wie etwa dem bakteriellen Erreger Chlamydia trachomatis. Die gentechnisch veränderten menschlichen ektozervikalen Organoide ermöglichen Chumduri und ihrem Team nun, die langfristigen Auswirkungen einer Virusinfektion auf das Plattenepithel des Gebärmutterhalses und den Beitrag von Koinfektionen mit anderen Erregern, wie Chlamydia trachomatis, genauer zu untersuchen.

Großes Potenzial für weitere Fortschritte

„Endozervikale und ektozervikale Organoide sind ideale, nahezu physiologische 3D-Epithelgewebe zur Untersuchung und Modellierung der Biologie des Gebärmutterhalses, der Interaktionen zwischen Wirt und Krankheitserreger und der Krankheitsentwicklung“, ist sich die Wissenschaftlerin sicher. Darüber hinaus seien sie ideal, um die Reaktion des Organs auf antibiotikaresistente Krankheitserreger zu erforschen.

Außerdem ermöglichen es Organoide, die Reaktion des Gebärmutterhalsepithels auf hormonelle Veränderungen und deren Auswirkungen auf die Stammzellregeneration, die Schleimproduktion und die angeborene Abwehr von Krankheitserregern zu untersuchen. Ihre langfristige Kultivierbarkeit biete die einzigartige Chance, chronische oder wiederholte Infektionen und deren Einfluss auf die Wirtszellen genauer unter die Lupe zu nehmen.

Cindrilla Chumduri jedenfalls ist davon überzeugt: „Insgesamt bieten das Organoidmodell des Gebärmutterhalses ein großes Potenzial für weitere Fortschritte bei der Erforschung der Biologie des weiblichen Fortpflanzungstrakts.“

Originalpublikation

Gurumurthy, R.K., Koster, S., Kumar, N. et al. Patient-derived and mouse endo-ectocervical organoid generation, genetic manipulation and applications to model infection. Nat Protoc (2022). https://doi.org/10.1038/s41596-022-00695-6

Kontakt

Dr. Cindrilla Chumduri, Lehrstuhl für Mikrobiologie, T: +49 931 31 86531, cindrilla.chumduri@uni-wuerzburg.de

Von Gunnar Bartsch

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