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Fakultät für Biologie

Geteiltes Gesichtsfeld

23.03.2021

Wie nutzen Taubenschwänzchen visuelle Muster in ihrem Gesichtsfeld? Bei der Erforschung dieser Frage erlebte ein Team aus dem Würzburger Biozentrum eine Überraschung.

Messungen haben gezeigt, wie das Taubenschwänzchen den optischen Fluss zur Flugsteuerung und Orientierung nutzt.
Messungen haben gezeigt, wie das Taubenschwänzchen den optischen Fluss zur Flugsteuerung und Orientierung nutzt. (Bild: Anna Stöckl / Universität Würzburg)

Taubenschwänzchen sind kleine Falter, die beim Trinken an Blüten wie Kolibris in der Luft schweben. Mit den visuellen Sinnesleistungen dieser Insekten befasst sich Dr. Anna Stöckl vom Biozentrum der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg. Im Journal Current Biology stellen die Forscherin und ihre Doktorandin Ronja Bigge jetzt ihre neuesten Erkenntnisse vor.

„Um ihren Flug zu steuern, verlassen sich Taubenschwänzchen auf den optischen Fluss in der unteren Hälfte ihres Gesichtsfeldes“, erklärt Ronja Bigge. Der optische Fluss ist die relative Bewegung, die das Umgebungsbild beim Fliegen auf die Netzhaut der Tiere wirft. Menschen erleben dieses Phänomen, wenn sie zum Beispiel Zug fahren – anhand der vorbeiziehenden Landschaft wird abschätzbar, wie schnell der Zug unterwegs ist.

Den Taubenschwänzchen gibt der optische Fluss Aufschluss über ihre eigene Bewegung. Er hilft ihnen, zum Beispiel die Geradlinigkeit oder die Geschwindigkeit ihres Fluges zu steuern. Beim Fliegen im Freien ist der optische Fluss, der parallel zur Flugrichtung verläuft, immer unterhalb des Körpers am stärksten. Also dort, wo beispielsweise Wiesen, Gärten und Straßen für eine abwechslungsreiche Textur sorgen. Für die Flugsteuerung ist damit das Geschehen im unteren Gesichtsfeld die verlässlichste Größe. Das haben die JMU-Forscherinnen jetzt erstmals durch Messungen nachgewiesen.

Bislang unbekanntes Verhalten entdeckt

„Überraschenderweise konnten wir zeigen, dass die Schwärmer ein komplett anderes und bisher noch nie beschriebenes Verhalten an den Tag legen, wenn wir ihnen visuelle Texturen in der oberen Gesichtshälfte präsentieren“, sagt Anna Stöckl.

Die Tiere orientieren sich dann nämlich entlang prominenter Konturen in den Mustern. Sie nutzen hier die visuellen Informationen nicht zur Flugkontrolle, sondern zur Wegorientierung – obwohl es sich um exakt dieselben visuellen Informationen handelte, die sie im Experiment zuvor im unteren Gesichtsfeld präsentiert bekommen hatten.

„Unsere optischen Messungen in natürlichen Habitaten zeigten auch hier wieder eine vergleichbare Beziehung: Kontrastreiche Strukturen, die der Orientierung dienen können, treten vor allem in der oberen Gesichtshälfte auf“, so die JMU-Forscherin. Das sind zum Beispiel die Silhouetten von Baumkronen oder Sträuchern, die einen starken Kontrast zum Himmel bilden.

Gesichtsfeld ist zweigeteilt

Das Fazit der Würzburger Biologinnen: „Das Flugkontrollsystem und das Orientierungssystem der Taubenschwänzchen teilen verschiedene Teile des Gesichtsfeldes untereinander auf und konzentrieren sich jeweils auf den Bereich, der in der Natur die verlässlichsten Informationen liefert."

Mit anderen Worten: Für das Verhalten der Tiere ist nicht nur entscheidend, was es zu sehen gibt, sondern auch wo es etwas zu sehen gibt.

Gefördert wurde diese Forschungsarbeit von der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG.

Publikation

Natural image statistics in the dorsal and ventral visual field match a switch in flight behaviour of a hawkmoth. Ronja Bigge, Maximilian Pfefferle, Keram Pfeiffer, Anna Stöckl. Current Biology, 22. März 2021, DOI: 10.1016/j.cub.2021.02.022

https://authors.elsevier.com/a/1cnFn3QW8RwnOr

Kontakt

Dr. Anna Stöckl, Lehrstuhl für Zoologie II (Verhaltensphysiologie und Soziobiologie), Universität Würzburg, T +49 931 31-86572, anna.stoeckl@uni-wuerzburg.de

Von Robert Emmerich

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